Christian Hoffmann

"Ein freier Stammesstaat der Niedersachsen"?

Die Vorabstimmung vom 18. Mai 1924 über die Loslösung der Provinz Hannover vom Freistaat Preußen


34 Seiten, 6 Abbildungen
Erscheinungsdatum: 10.12.2025

DOI https://doi.org/10.46500/83535890-010

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Buchcover von »"Ein freier Stammesstaat der Niedersachsen"?«
Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte
Neue Folge der "Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen"

DOI https://doi.org/10.46500/83535890
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Das Ende der Monarchien in Deutschland im November 1918 schien – gut 50 Jahre nach der Annexion Hannovers durch Preußen – die Möglichkeit zur Wiederherstellung der hannoverschen Selbständigkeit zu eröffnen.


Insbesondere Art. 18 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 sah vor, dass durch Volksabstimmungen Änderungen der Ländergrenzen des Reichsgebiets würden vorgenommen werden können. Erst nach Ablauf einer erst auf zwei, dann auf drei Jahre festgelegten Sperrfrist war eine solche Volksabstimmung in der Provinz Hannover möglich. Einen am 7. Dezember 1922 gestellten entsprechenden Antrag zog die den hannoverschen Unabhängigkeitsgedanken tragende Deutsch-Hannoversche Partei (DHP) jedoch wegen der im Januar 1923 erfolgten Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich zurück und erneuerte ihn erst am Ende dieses in Hyperinflation und Hitler-Putsch mündenden Krisenjahres. Laut Antrag der DHP vom 21. Dezember 1923 sollte in der Provinz Hannover mit Ausnahme des Regierungsbezirks Aurich eine Abstimmung über die Bildung eines eigenen Landes Hannover erfolgen. Bei der dazu erforderlichen Vorabstimmung vom 18. Mai 1924 über die Frage, ob eine solche Volksabstimmung durchgeführt werden sollte, erlitt die DHP eine schwere Niederlage, indem nur 25,5 der erforderlichen 33 Prozent der Abstimmungsberechtigten sich für eine Durchführung aussprachen. V. a. die von der DHP nur ausweichend beantwortete Frage der Staatsform eines künftigen Landes Hannover (Republik oder Monarchie) hatte dazu geführt, dass die anderen maßgeblichen politischen Parteien und auch die Reichsregierung der Position des preußischen Staates, dass dem Reich durch eine Schwächung des größten Gliedstaates schwerer Schaden zugefügt würde, gefolgt waren. Das zentrale Argument der Abstimmungsbefürworter, nämlich die Wiedergutmachung des 1866 durch die Annexion erlittenen Unrechts, hatte sich als zu schwach erwiesen. Die zuvor in der Provinz Hannover nicht zu unterschätzende politische Kraft der DHP aber war mit der Abstimmungsniederlage gebrochen.

The end of the monarchies in Germany in November 1918 seemed, some fifty years after Hanover’s annexation by Prussia, to open up the possibility of restoring Hanoverian independence. In particular, Article 18 of the Weimar Constitution of 11 August 1919 stipulated that changes to the boundaries of the Reich’s constituent states could be effected through referendums. Such a referendum in the Province of Hanover, however, was only possible after the expiration of an initially two-year, later extended to a three-year, waiting period. The German-Hanoverian Party (DHP), which advocated Hanoverian independence, submitted a corresponding proposal on 7 December 1922. However, the party withdrew the proposal following the French occupation of the Ruhr in January 1923. It was only at the end of that crisis-ridden year, marked by hyperinflation and the Hitler Putsch, that the proposal was resubmitted. According to the DHP’s motion of 21 December 1923, a referendum was to be held in the Province of Hanover, excluding the Aurich administrative district, on the creation of a separate state of Hanover. In the necessary preliminary vote on 18 May 1924, which asked whether a referendum should be held, the DHP suffered a decisive defeat. Only 25.5 % of eligible voters supported the proposal, short of the 33 % required. In particular, the DHP’s evasive response to the question of the future state’s form (republic or monarchy) led the other major political parties and the Reich government to align with Prussia’s position. Prussia argued that weakening the largest constituent state would cause serious harm to the Reich. The main argument of the referendum’s supporters was to redress the injustice suffered by Hanover in the 1866 annexation. However, this argument proved too weak. The DHP, which had previously been a significant political force in the Province of Hanover, saw its influence effectively broken by the defeat in the preliminary vote.


Christian Hoffmann

Christian Hoffmann, geb. 1966, ist Archivdirektor am Niedersächsischen Landesarchiv - Standort Hannover.

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Kategorien

Schlagworte
Landesgeschichte, Regionalgeschichte, Nordwestdeutschland
Thema
NHD, NHTB
Bisac-Code
HIS014000, HIS037010

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