


Eine unbekannte Anzahl bewarb sich um einen Studienplatz – am Ende wurden rund 4.700 Studierende und damit mehr als je zuvor zugelassen. Im Vergleich zu den vorangegangenen (Kriegs-)Semestern sank der prozentuale Anteil der Frauen, doch auch ihre Anzahl erreichte ein neues Maximum. Der Beitrag fragt nun nach der sozialen Zusammensetzung der Studierendenschaft und nach den Bedingungen des Studiums in Göttingen, denn es standen bei weitem nicht ausreichend Lese- und Laborplätze zur Verfügung. In Göttingen waren vergleichsweise wenige Gebäude zerstört, doch im Verlauf des Wintersemesters verschlechterte sich die Wohnungssituation der Studierenden infolge des wachsenden Zustroms von Flüchtlingen und Vertriebenen. Von Seiten der Universität wurde mit neuen Konzepten wie einem »Vorstudium« experimentiert, was am Ende jedoch an den Fakultäten wie an Finanzfragen scheiterte. Bei den Studierenden lassen die Akten Netzwerke und Mitwirkungen in Organisationen des Nationalsozialismus erkennen, die als Desiderat der Forschung bezeichnet werden müssen, umso mehr die Studierenden erst zum Sommersemester 1946 verpflichtend einen Fragebogen zur Entnazifizierung abgeben mussten. Auch die Selbstwahrnehmung der Studierenden verdient weitere Forschung, da bereits im Wintersemester Diskussionen um die Verpflichtungen und Aufgaben dieses Jahrgangs einsetzten.
Only a few months after the end of the Second World War, the University of Göttingen was permitted to resume teaching. An unknown number of applicants sought a place to study, and ultimately around 4,700 students were admitted, more than ever before. Compared with the preceding (war-time) semesters, the proportion of women fell, yet their absolute number reached a new high. This article examines the social composition of the student body and the conditions of study in Göttingen, where reading rooms and laboratory spaces were by no means sufficient. Relatively few buildings in the city had been destroyed, but during the winter semester the housing situation for students deteriorated due to the growing influx of refugees and displaced persons. The university experimented with new measures, such as a »preparatory study programme« (Vorstudium), which ultimately failed due both to resistance within the faculties and to financial constraints. The archival records further reveal student networks and participation in National Socialist organisations, an area that remains largely unexplored, considering that all students were only required to submit a denazification questionnaire as late as the summer semester of 1946. Further research is also needed on students’ self-perception, as debates over the responsibilities and obligations of this cohort had already begun during the winter semester.
Arnd Reitemeier, geb. 1967, ist Professor für niedersächsische Landesgeschichte an der Universität Göttingen und Leiter des Instituts für Historische Landesforschung. Veröffentlichungen u. a.: Klosterlandschaft Niedersachsen (Hg., 2021); Reformation in Norddeutschland. Gottvertrauen zwischen Fürstenherrschaft und Teufelsfurcht (2017); Kriegsbeginn in Norddeutschland. Zur Herausbildung einer »Kriegskultur« 1914/15 in transnationaler Perspektive (Mithg., 2015); Grundherrschaft und bäuerliche Lebensbedingungen (2008); Die christliche Legitimation von Herrschaft im Mittelalter (2006); Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters. Politik, Wirtschaft und Verwaltung (2005).
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