

Die Protagonistin wird sowohl als Hassende als auch als Gehasste dargestellt. Dieser Hass ist eng mit der Darstellung ihrer Figur als Fremde verknüpft: Politisch-religiös erscheint sie als fremde Baalsdienerin im eigentlich jüdischen Juda, geschlechtlich als mächtige Frau in einer patriarchalen Ordnung. Somit ist der Hass gegen sie nicht nur individuell, sondern auch kollektiv zu verstehen und schließt sie letztlich aus der Figurenkonstellation aus. Zugleich wirkt der Hass kollektivstiftend und führt zur (vorübergehenden) Wiederherstellung der durch Athalie 'gestörte' jüdischen Ordnung.
In diesem Beitrag werden die Mechanismen des Hasses in der Tragödie anhand verschiedener theoretischer Ansätze von Aristoteles, René Descartes, Aurel Kolnai und Sara Ahmed untersucht. Dabei werden insbesondere seine Unverhandelbarkeit, sein exkludierendes, ordnungsstiftendes sowie tragisches Potenzial beleuchtet. Die Tragik des Hasses besteht somit nicht nur in seinem zerstörerischen Aspekt, sondern er erweist sich auch als konstitutiv für die Tragödie Racines, indem er Mitleid und Furcht schüren soll sowie gesellschaftliche Hassmechanismen zu reflektieren vermag.
Melanie Reinhard ist Doktorandin am Romanischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. In ihrer Dissertation, betreut von Prof. Dr. Judith Frömmer und Prof. Dr. Andreas Gelz, forscht sie zu Fremdheit im französischen Theater des 17. Jahrhunderts. Sie hat Französisch, Englisch und Latein für das Gymnasiallehramt studiert und absolviert derzeit ihr Referendariat. Zuvor war sie Promotionsstipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.
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