Rahel Villinger

Natur schreiben

Robert Walsers Buch 'Seeland'


32 Seiten, 1 Abbildungen
Erscheinungsdatum: 16.04.2025

DOI https://doi.org/10.46500/83535662-011

Lizenz CC BY-NC-ND 4.0
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Buchcover von »Natur schreiben«
Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 2024
Internationales Organ für Neuere deutsche Literatur, Bd. LXVIII

DOI https://doi.org/10.46500/83535662
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Der Aufsatz untersucht den ab 1917 beginnenden intensiven mehrschichtigen Überarbeitungsprozess der sechs Prosastücke, die 1920 in Seeland in Buchform erscheinen.


Leitende Frage der Analyse ist, wie sich die Arbeit an dem Buch zu der von Walser immer wieder mit Vehemenz betonten Verbundenheit und Zusammengehörigkeit der Seeland-Texte verhält, die in der Forschung bislang als werkpolitisch motivierte Scheinargumentation abgetan wurde. Was steht hinter Walsers Behauptung, Seeland sei als »zusammenhängendes [...] Gewächse, als ein Ganzes und Gleiches« aufzufassen? Diese Aussage ist, so die These, mit Blick auf Walsers Neuverhandlung und Umwertung klassisch-roman­tischer Konzeptionen einer intrinsischen Beziehung von Kunst und Natur zu lesen. Die Seeland-Stücke verbindet eine durchgängige Doppelung der Referenz von dargestellten ästhetischen Rezeptions- und Produktionsprozessen: Die Texte beschreiben einerseits quasi-phänomenologisch im Durchwandern gebildete Wahrnehmungen der Gegend ­ihrer Entstehung (die Seenlandschaft um Biel), andererseits und zugleich aber auch die ästhetischen Rezeptions- und Neuproduktionsprozesse einer selbstverfassten Textgattungslandschaft sowie die »Erdarbeit« (Walser) an literatur- und kunstgeschichtlich tradierten Wort-, Bild- und Werknaturen, die selbst bereits formpoetische Beziehungen von Kunst und Natur verhandeln. Mit dem Anspruch, »naturhaft«, »naturwahr« und »naturreich« zu schreiben, reflektiert Walser in Seeland ebenso die Aporien einer sprachlichen Mimesis äußerer Landschaft, die Paradoxien eines intendierten Intentionslos-Werden des Schreibens sowie die Schwierigkeiten eines Anschlusses an klassisch-romantische Naturpoetologien.

The essay explores the intensive process of re-writing of six prose pieces prior to their final collective publication in Robert Walser’s book ›Seeland‹ (1920 [1919]). It is argued that the techniques of this writing practice mirror a poetics and rhetoric of an intrinsic aesthetic relation between nature and art, which Walser adapts from eighteenth century aesthetics and Romanticism and reinvents in his own and unique manner.


Rahel Villinger

Rahel Villinger ist wissenschaftliche Assistentin für Neure Deutsche Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar der Universität Basel und Mitglied des Zentrums für die Theorie und Geschichte des Bildes.

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