
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachten Geisteswissenschaftler:innen einen neuen Wirtschaftszweig in Europa hervor. Während der Strukturwandel im ländlichen Raum oft als Mechanisierung und Industrialisierung der Agrarwirtschaft beschrieben wird, tritt hier eine andere Seite des europäischen Modernisierungsprojekts ans Licht: Volkskundler:innen in Frankreich, der Schweiz, der BRD und der DDR untersuchten begleiteten und gestalteten die Transformation ländlicher Ökonomien und Lebensformen durch ihre Forschungspraktiken, indem ihre Aktivitäten selbst neue Initiativen, Projekte, Institutionen und Ökonomien in Gang setzten. Basierend auf ihrem Wissen über Lokalkultur entstand eine veritable kulturelle Infrastruktur: Industrie- oder Agrarlehrpfade, historische Wanderwege und unzählige Informationstafeln und Broschüren zur Lokalgeschichte, Klein- und Ecomuseen. Sie prägt auch heute noch die ländlichen Regionen Europas.
Die Studie beruht auf Beständen ethnografischer Feldforschungsprojekte, Nachlässen sowie Verwaltungsarchiven. In ihr werden Forschungspraktiken zusammen mit Wirtschaftsformen historisiert. Sie leistet damit einen fundierten Beitrag zur Wissensgeschichte der kulturellen Wirtschaftsentwicklung wie auch der Kulturanthropologie/empirischen Kulturwissenschaft.